Das Vordringen von Gletschern stellt grundsätzlich keine große Gefahr für den Menschen dar. Kritischer wird es aber, wenn Gletscher beispielsweise ein Seitental versperren oder gar einen See zum Überlaufen bringen. Da sich Gletscher seit über 150 Jahren mit wenigen Ausnahmen zurückziehen, kann nicht von einer rezenten Naturgefahr gesprochen werden.
Speziell während der Gletscherhochstandsperiode (1550 – 1850) verursachten aber Ausbrüche von Gletscherseen immer wieder Verwüstungen und zahlreiche Todesopfer. Auch das Ötztal wurde immer wieder von derartigen Katastrophen heimgesucht. Auf Grund von Aufzeichnungen aus der Gemeindechronik Längenfeld sind die großen Katastrophen dokumentiert. Dazu zählt jene aus dem Jahr 1600. Sie wurde durch den Vernagtferner ausgelöst, der das obere Rofental absperrte. Dadurch wurde ein Stausee gebildet, dessen Durchbruch große Verwüstungen im Tal anrichtete. Auch 1681 staute der Vernagtferner die Rofener Ache. Die nachfolgenden Überschwemmungen verursachten auch Ernteausfälle und damit zahlreiche Hungeropfer.
Im Jahre 1770 wurden auch das Gurgler Tal und damit das gesamte Ötztal durch einen Gletschersee-Ausbruch verwüstet. Der Gurgler Ferner staute dabei einen See von rd. 40 ha Fläche auf, der sich innerhalb weniger Stunden flutartig entleerte.
1772 versperrte der Vernagtferner wiederum das Rofental, aber wie durch ein Wunder entleerte sich der See, ohne Schaden anzurichten.
Die letzten Katastrophen ereigneten sich von 1844 bis 1848; dabei wurde wiederum das gesamte Ötztal bis hinaus in das Inntal verwüstet. Im Jahre 1848 erreichte der Staudamm eine Höhe von knapp 150m. Die verheerende Entleerung fand am 13. Juni 1848 innerhalb nur einer Stunde statt.
Nacheiszeitliche Bergstürze prägten den Landschaftscharakter des Ötztales nachhaltig. Die Zugänglichkeit des hinteren Ötztales vom Inntal aus war deshalb kaum möglich. Die Besiedelung des südlichen Ötztales erfolgte daher über die eisbedeckten Jöcher von Süden aus und nicht durch die Schluchten des mittleren Ötztales.
Mehrere, teils riesige Bergstürze sind heute nachgewiesen:
Der Köfelser Bergsturz
Massenmäßig handelt es sich beim Köfelser Bergsturz um die alpenweit größte Bewegung im Kristallin-Gestein. Bei diesem Ereignis vor etwa 9500 Jahren bewegten sich ca. 3,9 km³ Bergsturzmasse zu Tal und verteilte sich auf eine Fläche von 12 km². Auf der gegenüberliegenden Talseite stauten die Felsmassen den Horlachbach auf. Dieser musste sich in Folge ein neues Bachbett suchen und stürzt heute als Stuibenfall - höchster Wasserfall Tirols – in das Umhausener Talbecken. Im Abschnitt zwischen Umhausen und Längenfeld wurde das Ötztal auf eine Länge von ca. 3 km verschüttet, das heutige Längenfelder Becken entstand. Heute hat sich die Ache durch die wilde Maurach-Schlucht ihren Weg durch das ehemalige Bergsturzgelände gegraben.
Der Tschirgant Bergsturz
Nach eingehenden Untersuchungen wurde auch für den Tschirgant Bergsturz der Gletscherrückgang respektive der fehlende Gegendruck als Auslöser festgestellt. Das Alter wird auf rd. 3000 Jahre datiert. Die Bergsturzmasse bedeckt eine Fläche von 13 km² und ist somit sogar größer als jene von Köfels, das Volumen beträgt aber nur 240 Millionen m³. Zweigt man heute vom Inntal ins Ötztal ab, durchquert man diese Tomalandschaft, die einen vielfältigen Kiefern-Bergsturzwald, das Forchet, trägt und als Naturschutzgebiet Tschirgant-Bergsturz ausgewiesen ist.
Die Bergstürze von Habichen und Tumpen
Nördlich von Umhausen ereigneten sich die Bergstürze von Habichen und Tumpen, die aber beide um mindestens 2 Größenordnungen kleiner sind als jener von Köfels. Der Habicher Bergsturz zeichnete für die Entstehung des Piburger Sees verantwortlich, der die gesamte Talsohle an seinem südlichen Ende versperrte. Zwischen Habichen und Tumpen muss heute eine 80 Meter hohe Steilstufe überwunden werden, die das Resultat des Bergsturzes darstellt.
Werner Kopp hat diese besondere Ereignisse im Ötztal in seinem reich bebilderten, wertvollen Buch "Ischt der Sindfluß g'wößen! - 700 Jahre Naturkatastrophen im Ötztal" dargestellt.