Bartgeier Biologie

Ein kurzer Steckbrief des Bartgeiers (Gypaetus barbatus)

  • Gewicht: 5 -7 kg
  • Flügelspannweite: 2,6 m - 2,9 m
  • Geschlechtsunterschiede: Äußerlich nicht erkennbar
  • Lebensraum: Gebirge
  • Verbreitung: Alte Welt Geier - Europa, Asien und Afrika
  • Nahrung: Knochen und Aas toter Tiere
  • Paarungszeit: Zwischen November und Dezember
  • Eiablagezeitraum: Von Dezember bis Februar
  • Brutdauer: zwischen 52 und 58 Tagen
  • Erster Flug: Die Jungtiere starten ihren ersten Flug 110 bis 130 Tage nach dem Schlupf
  • Geschlechtsreife: Erreicht die Geschlechtsreife im Alter von 5 bis 7 Jahren
  • Erstes erfolgreiches Brüten: In der Regel erst mit 8 bis 9 Jahren
  • Fortpflanzungsrate: Durchschnittlich wird alle 1 bis 2 Jahre ein Jungtier geboren
  • Lebenserwartung: In Gefangenschaft können sie bis zu 50 Jahre alt werden, während die Lebenserwartung in freier Wildbahn variabler ist.

Ein besonderer Geier

Geier spielen als Aasfresser eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem. Sie tragen dazu bei, dass Kadaver zügig aus der Landschaft entfernt werden, was wiederum die Ausbreitung von Krankheiten begrenzt. Als Anpassung an ihre Ernährungsweise sind viele Geierarten am Hals und Kopf nur spärlich befiedert, um zu verhindern, dass ihre Federn durch Blut verkleben, wenn sie an frischen Kadavern fressen. Als einzige Geierart hat sich der Bartgeier auf die Verwertung von Knochen verendeter Tiere spezialisiert. Bartgeier ernähren sich zu 80-90% von Knochen. Sie verwerten damit den letzten Teil des Aases, welchen alle anderen Aas-Fresser „übrig lassen“ würden. Da sich der Bartgeier hauptsächlich von Knochen toter Huftiere ernährt, besitzt er, im Gegensatz zu den anderen Geierarten, ein ausgeprägtes Kopf- und Halsgefieder.

Die Verdauung von Knochen stellt eine besondere Herausforderung dar. Obwohl Knochen neben Kalk viele nahrhafte Fette und Eiweiße enthalten, sind sie sehr hart und schwer verdaulich. Nur wenige Arten sind in der Lage, Knochen effizient zu verdauen. Mit einem ph Wert von 0,7 sind die Magensäfte des Bartgeiers äußerst sauer. Außerdem verfügt er über eine besonders große Schnabelöffnung, und seine Luftröhre reicht fast bis zur Schnabelspitze, sodass er weiterhin ausreichend Luft bekommt, selbst wenn ein Knochen im Rachen stecken bleibt.

Besonders faszinierend ist die Methode des Bartgeiers, mit zu großen Knochenstücken umzugehen, die nicht geschluckt werden können. Er trägt sie zu Geröllhalden, seinen sogenannten “Knochenschmieden”, wo er sie aus großer Höhe fallen lässt, bis sie in schnabelgerechte Splitter zerbrechen. Obwohl dies eine angeborene Fähigkeit ist, muss sie während des Heranwachsens fleißig geübt und perfektioniert werden.

Woher kommt der Name?

Der Bartgeier ist unter vielen Namen bekannt, die in verschiedenen Sprachen seine spezielle Ernährungsweise widerspiegeln. In Tirol wird er oft als "Boanbrüchl" bezeichnet, während er in Spanien als "Quebrantahuesos" bekannt ist - was "Knochenbrecher" bedeutet. Im Englischen findet man häufig auch den Ausdruck "Lammergeyer". Früher war im deutschsprachigen Raum der Name "Lämmergeier" verbreitet, basierend auf der irrtümlichen Annahme, dass diese majestätischen Vögel Lämmer erbeuten. Heute jedoch hat sich der Name "Bartgeier" durchgesetzt, benannt nach dem markanten, dunklen Bart, der den Kopf sowohl der Männchen als auch der Weibchen ziert. 

Illustration Bartgeier ©Maria Weninger
Bartgeier ©Stefan Plangger

Nachkommen und Lebensdauer

Mit einem Alter von 5 bis 7 Jahren gelten Bartgeier als geschlechtsreif. Die erste erfolgreiche Brut erfolgt meist erst mit 8 bis 9 Jahren. In einer Brutsaison kann ein Brutpaar maximal einen Jungvogel großziehen, was bedeutet, dass sich Bartgeier sehr langsam vermehren. Bartgeier können ein hohes Alter erreichen, mit 40 bis 50 Jahren in Zoos und über 30 Jahren in freier Wildbahn. Jedoch können verschiedene Gefahren, auch durch menschliche Einflüsse, schnell die Sterblichkeitsrate erhöhen und somit das langfristige Überleben der Bartgeier gefährden.

Bartgeier legen normalerweise zwei Eier pro Brutzeit, obwohl sie nur ein Jungtier erfolgreich großziehen können. Diese Eier werden mit etwa einer Woche Abstand gelegt, was dazu führt, dass die Jungvögel zu unterschiedlichen Zeitpunkten schlüpfen und unterschiedliche Größen haben. In einem heftigen Wettbewerb um Nahrung drängt das stärkere Küken oft das schwächere in den ersten Tagen seines Lebens ab, was tragischerweise zum Tod führen kann. Dieses Verhalten wird als "Kainismus" bezeichnet, eine Anspielung auf die biblische Geschichte von Kain und Abel im Alten Testament. Die Elterntiere erleben die Futtersuche als äußerst aufwendig und können nur genug Nahrung für ein Junges aufbringen. Das zweite Ei dient als biologische Reserve, falls das erste unbefruchtet ist, der Embryo abstirbt oder das ältere Küken die ersten Tage nicht überlebt. 

Brutzeit

Zwischen Dezember und Februar beginnen die Bartgeier in den Alpen mit der Brut. Dieser ungewöhnliche Zeitpunkt steht im Zusammenhang mit der Ernährung der Küken. Da diese in ihren ersten Lebenswochen noch keine Knochen verdauen können, sind sie auf frisches Muskelfleisch angewiesen. Die Brutzeit dauert etwa 55 Tage, sodass die Küken gegen Ende des Winters schlüpfen. Zu dieser Zeit gibt es ausreichend Kadaver von Tieren, die die harten Bedingungen im Winter nicht überlebt haben, und die Bartgeiereltern können ihre Jungen mit Frischfleisch versorgen.

Nach rund 110 bis 130 Tagen startet der Jungvogel seinen ersten Flug. Anfang bleibt er in der Nähe seines Horstes und verbessert vorzu seine Flugkünste. In dieser Zeit wird er häufig noch von den Elterntieren begleitet, bis im Alter von 8 Monaten die Kindheit endet und er im Regelfall das elterliche Territorium verlässt.

Bartgeier ©Elisabeth Weninger